- Mit dem Fahrrad auf Reisen:
Finnland
-
-
- Die Heckklappe der Fähre
öffnet sich. Nachdem Autos und Caravans das Schiff verlassen
haben, wird der Weg frei für die gut zwei Dutzend Radfahrer.
Verschieden wie ihre Herkunft und Ziele mögen auch ihre
Erwartungen und Vorstellungen sein: Die zwei Studentinnen aus dem
Rheinland wollen die Seenplatte kennenlernen; ein junges
französisches Ehepaar lockt es in die Schärenwelt der
Südwestküste. Der junge Mann aus Bayern hat noch keine
festen Pläne. »Mal sehen, wohin das Rad mich trägt.«
Zwei Holländer Vater und Sohn zieht es in die
Weite Lapplands. Was all diese Menschen verbindet, ist der Wunsch,
Finnland per Rad zu »erfahren«. Jeder von ihnen wird
dies in einer einzigartigen und unwiederbringlichen Form tun. Doch
wird es auch Gemeinsamkeiten geben: die Herzlichkeit, mit der Radler
überall empfangen werden. Mehr als einmal wird man hören:
»Tervetuloa You're welcome!«
-
Das einfallende Licht am Heck
erscheint wie das Ende eines langen Tunnels. Helsinki begrüßt
seine Gäste mit strahlendem Sonnenschein.
-
Beinahe zwangsläufig gelangt
der Besucher zunächst zum nahen Markt. Nicht laut geht es zu;
eher still und unscheinbar wechseln Gemüse, Obst und Fisch
ihren Besitzer. Ausländische Touristen sind neugierige
Augenzeugen des bunten Treibens nur selten Käufer.
-
Szenenwechsel: Lappland,
Landstraße 9561 von Köngäs nach Pokka. Seit Stunden
nieselt es, die Temperatur beträgt nicht viel mehr als 10 °C.
Der Straßenbelag ist durch die Nässe glitschig geworden,
Dreck spritzt hoch bis zur Sattelstütze. Mein finnischer
Begleiter fährt ohne ein Wort über das Wetter zu
verlieren mal vor, mal hinter mir. »Was will ich
eigentlich hier?« schießt es mir durch den Kopf. Am
späten Nachmittag bricht die Wolkendecke auf. Am nördlichen
Horizont wird ein Fjäll sichtbar; mein Blick schweift über
scheinbar endlose Wälder. Am Abend noch eine Tasse heißer
Tee, das Wasser dafür über dem Lagerfeuer gekocht. Für
einen Moment erscheint alles andere unwirklich und fern.
-
Nicht nur tausend Kilometer oder
einige Wochen Fahrzeit liegen zwischen diesen beiden Eindrücken.
Finnland ist vielfältiger als vielleicht anfangs erwartet. Die
unzähligen stillen Buchten im Seengebiet; Straßen, auf
denen das Gefühl entsteht, das nahe Wasser greifen zu können.
Die Verträumtheit so mancher Kleinstadt an der Küste; der
schwedische Einfluß ist noch deutlich spürbar. Die
Åland-Inseln: ein paar ins Meer geworfene übergroße
Felsbrocken.
-
Irgendwo in Kainuu, Ostfinnland:
Rast an einer kleinen Tankstelle. Diese dient auch oder vor
allem? als Treffpunkt der Einheimischen. Der spröde
Charme ist kaum zu übertreffen: »Kahvia ja pullaa«
zwischen Motorenöl und Angelhaken, im Hintergrund dudelt im
Radio finnischer Tango. Die wenigen Gäste, Männer in
Tarnanzügen, unrasiert, Schirmmützen tragend, unterhalten
sich über die Jagdsaison, die gerade begonnen hat. All das ist
Finnland!
[Startseite]